Persönlichkeiten des Altenburger Landes
Heidrun Nitzsche
1946-2013
Am
6. Januar 2013 verstarb die Heimatgeschichtsforscherin Heidrun Nitzsche aus
Maltis an einer heimtückischen Krankheit. Wer sie kannte, weiß, dass mit ihrem
Dahinscheiden nicht nur ihre Familie
einen unwiederbringlichen Verlust an menschlicher Wärme, Liebe und Fürsorge
erlitten hat, mit ihr verlor auch die „Zunft“ der hiesigen Heimatforscher eine
ihrer wichtigsten Mitstreiterinnen bei der Aufarbeitung und Interpretation der
Geschichte der Dörfer des Altenburger Landes.
Da
kennt man sich schon so viele Jahre, es war, so glaube ich mich zu erinnern,
das Jahr 1998, als der Autor dieser Zeilen sie das erste Mal in der Saaraer
Gemeindebibliothek, welche sie damals betreute, besuchte. Über die Jahre hat
man sich neben der heimatgeschichtlichen Fachsimpelei auch gern über die
Familie unterhalten, ja diese auch bei Besuchen kennengelernt, aber beim
Niederschreiben eines gedenkenden Artikels merkt man doch, wie wenig
Biographisches man letztlich voneinander weiß. Deshalb dankt der Autor an
dieser Stelle der Familie Nitzsche für die Informationen zu einem kurzen
Lebenslauf von Heidrun Nitzsche. Sie wurde am 16. Juni 1946 als Tochter des
Landarbeiters Gustav Wöffen in Großstöbnitz geboren, dort wuchs sie auf und
besuchte die Schule. Von 1963 bis 1965 absolvierte sie die Lehre und arbeitete
dann bis 1967 als Verkäuferin. 1966 heiratete sie ihren Ehemann Günter Nitzsche
aus Maltis, wo sie mit ihm ein Seitengebäude des früher Pfefferkornschen Hofes
zu einer Heimstatt ausbaute und den unter Denkmalschutz stehenden Hof als
Kleinod erhielt. Zur Betreuung ihrer Kinder Anett und Mirko blieb sie die
ersten Jahre zu Hause in Maltis und entschloss sich 1972 zur Heimarbeit für die
Firma Puppen-Berger, später VEB Famos Leipzig. Diese Arbeit leistete sie bis
1991, dann gab es den Betrieb nicht mehr. Von 1992 bis 1993 war Heidrun
Nitzsche in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme beim Landratsamt in der Unteren
Denkmalschutzbehörde beschäftigt. Das trug mit großer Sicherheit dazu bei, sie
für die Thematik Heimatgeschichte zu sensibilisieren. Ab 1997 war sie auf der
Gemeinde Saara in verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen angestellt,
darunter die Betreuung der Gemeindebibliothek, was ihr übrigens mit großem
Engagement gelungen ist, sowie die Fortführung der Anfang der 90er Jahre
begonnenen Chroniken der zur Gemeinde Saara gehörenden Orte. Diese Aufgabe
erfüllte Heidrun Nitzsche bis zum Ausbruch ihrer Krankheit, die vielen Beiträge
im Saaraer „Landboten & Gemeindeblatt“ sind dafür beredtes Zeugnis; wir
werden darauf zurückkommen. 2006 wurde Heidrun Nitzsche Rentnerin, die
Möglichkeit eines Zuverdienstes nutzte sie stundenweise in der beliebten
Gemeindebibliothek.
Seit
2005 war Heidrun Nitzsche Mitglied in der Geschichts- und Altertumsforschenden
Gesellschaft des Osterlandes zu Altenburg, dorthin hatte sie bereits einige
Jahre gute Kontakte geknüpft. Zudem engagierte sie sich beim hiesigen
Arbeitskreis für Familienforschung, deren Veranstaltungen sie regelmäßig
besuchte. Die Unterstützung von suchenden Familienforschern war für sie durch
die Kenntnis der Kirchenbüchern des Kirchspiels Saara eine
Selbstverständlichkeit, oft genug wurden deshalb jene durch den Pfarrer an
Heidrun Nitzsche verwiesen.
Ein
besonderes Engagement muß Heidrun Nitzsche in ihrer langjährigen Funktion im
Gemeindekirchenrat von Maltis beschieden werden. Hier wage ich zu behaupten,
dass die Kirche – ein Kleinod inmitten eines alten Bauerndorfes – ihr heutiges Antlitz,
vor allem in der kulturhistorisch
wertvollen Innenausstattung jenen Bemühungen von Heidrun Nitzsche, welches auf
ihren starken Glauben und ihre Herzenswärme zurückzuführen sind, zu verdanken
hat. In den Jahren seit 2000 wurden in der Maltiser Kirche u.a. das Gemälde mit
dem lebensgroßen Bildnis des einstigen Maltiser Pfarrers Cornelius Vogel
restauriert (2000), dann das Epitaph, der Taufengel, die Kanzel (2002), der
Taufstein (2006), die Poppe-Orgel (2003-2006), die bemalte Tür zur Sakristei,
die Deckenmalereien. An Außenarbeiten waren das Baumaßnahmen am Dach, Turm,
Laterne, Haube, Bekrönung und dem Westgiebel (2009). Bei all diesen Arbeiten
kümmerte sich Heidrun Nitzsche um die Zusammenarbeit mit den verschiedenen
Ämtern, den Baufirmen und Restauratoren, sie schrieb u.a. die Anträge für die
Fördermittel, organisierte Spendengelder, gestaltete in ihrem Hof die
Bauarbeiterbetreuung und kontrollierte letztlich auch die Durchführung der
Arbeiten. Rückhalt und Unterstützung hatte sie dafür bei ihrer Familie, mit der
sie nicht nur die allgemeinen Malerarbeiten in der Kirche ausführte, sondern zu
den Gottesdiensten und anderen Veranstaltungen wie hohen Fest- und Feiertagen
auch die Kirche mit Blumen aus dem eigenen Garten schmückte. Ihr ist
letztendlich auch die Namensgebung der Kirche nach der Heiligen Anna zu
verdanken, aus welchem Anlaß sie eine Ansichtskarte gestaltete. Sie machte
interessante Kirchenführungen z.B. zum Tag des offenen Denkmals und anläßlich
touristischer Besuche im Ort, zudem organisierte sie Orgelkonzerte.
Zwei
Jahre nach der Bildung der Großgemeinde Saara erschien durch die Gemeinde die
erste größere Publikation mit Heidrun Nitzsche als Autorin und Fotografin. Im
Heft „Saara – Eine Gemeinde im Altenburger Land“ stellte sie alle 24 dazugehörigen
Orte in Wort und Bild vor. Fotografieren war eine ihrer Leidenschaften und für
ihre „gute Gesamtleistung“ erhielt sie 2002 beim 6. Fotowettbewerb der
Osterländer Volkszeitung den Sonderpreis. Im Dezember 1999 gestaltete Heidrun
Nitzsche gemeinsam mit Thomas Hummel im ehemaligen Klassenzimmer der damals
100jährigen Schule anläßlich der Festwoche zur Jahrtausendwende eine
sehenswerte wie unterhaltsame Ausstellung unter dem Thema „Unser Dorf – von
früher bis heute“. Viele Bürgerrinnen und Bürger aus den Orten der Gemeinde
unterstützten sie dabei gern mit historischen Dokumenten und Fotografien sowie
Ausstellungsstücken. Eine weitere Ausstellung gelang ihr 2006 zur 750Jahr-Feier
in Taupadel, zu welcher sie auch mehrere Ansichtskarten gestaltete. 2006 brachte
sie mit dem Sell-Heimatverlag in
Altenburg eine Chronik zum 75jährigen Jubiläum der Bornshainer Feuerwehr
heraus. Im gleichen Jahr wurde Heidrun Nitzsche für ihre Arbeit als Chronistin
durch den Bürgermeister im Rahmen einer ersten Ehrung für ehrenamtliche
Tätigkeit ausgezeichnet, zudem erhielt sie kurz darauf die Ehrenamtscard des
Landkreises.
Dem
Autor der Zeilen ist es wichtig, noch einige Bemerkungen zum
heimatgeschichtlich-literarischen Nachlaß von Heidrun Nitzsche zu machen. Dem
Leser des Geschichts- und Hauskalenders sind ihre Beiträge in neun Jahrgängen
zwischen 2000 und 2009 mit Sicherheit noch hinreichend bekannt, für die
Bauernhofbilder-Kalender des E.Reinhold-Verlages schrieb sie in den Jahren 2004
bis 2007 Beiträge zu Bauernhöfen in sechs Dörfern. Auf der
Heimatgeschichte-Seite der Osterländer Volkszeitung erschienen 2006 von ihr 20
Artikel, dazu im gleichen Jahr eine Artikelserie in der Ostthüringer Zeitung
zur Kirchengeschichte von Saara. Die meisten Beiträge von Heidrun Nitzsche zu den
unterschiedlichsten heimatgeschichtlichen Themen wurden im Gemeindeblatt von
Saara veröffentlicht, in den Jahren zwischen 1998 und 2010 waren das insgesamt
mindestens 111. Von den 24 Dörfern wurden dabei lediglich vier Orte nicht mit
Einzelbeiträgen bedacht. Neben Themen wie Familien- bzw. Hofgeschichte schrieb
sie solche zu dörflichen Vereinen, der Feuerwehr, zur Kirchengeschichte,
Mühlen- und Rittergutsgeschichte, zu Gasthöfen und anderen ländlichen Gewerben,
zu Schulen und Kindergärten, über Gemeindeordnungen, Brände, Ersterwähnungen
der Orte, aber auch zu Flurnamen,
Grabdenkmalen, der Flößerei, der Auswanderung von Landeskindern nach
Amerika, zur Mundart, zum Brauchtum im Jahresverlauf und den verschiedenen bäuerlichen
Festlichkeiten.
Bei
ihren Recherchen stützte sich Heidrun Nitzsche vor allem auf Originalakten der
hiesigen Archive – dem Kreisarchiv beim Landratsamt und dem Thüringer
Staatsarchiv, dann dem Kirchenarchiv von Saara. Dazu kam ein intensives Studium
der heimatgeschichtlichen Literatur, die Befragung von Zeitzeugen und der
Gedankenaustausch mit anderen Heimatforschern. Bei letzterem wird ihrer gern
gedacht, dennoch wird sie uns immer fehlen. Auch wenn sie es nun selbst nicht
mehr erleben kann, zu wünschen wäre in ihrem Interesse die Publikation einer
neuen Geschichte der von ihr so geliebten Maltiser Kirche mit den 172
Engelsdarstellungen.
Quellennachweis beim Autor.
Andreas Klöppel (Oktober 2014)